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Jonas‘ Meinung: Gleichstellung im Haushalt – das sagt sich so leicht

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Wer macht wie viel? Wer ist glücklicher? Ist die Beziehung fair? All das sind Fragen, mit denen man sich beschäftigen sollte. Denn einfach ist das nicht.

Ich bin 25 Jahre alt, kinderlos und in einer festen Beziehung. Meine Partnerin und ich wohnen in zwei Haushalten an unterschiedlichen Orten - und eigentlich hat das niemanden zu interessieren. Bevor ich jedoch meine Meinung zum Thema Care-Arbeit und Gleichberechtigung in Beziehungen wiedergebe, halte ich diesen Transparenzhinweis für angebracht.

Aus der Perspektive meiner Lebensrealität dreht sich Care-Arbeit bisher eher darum, wie Haushaltsaufgaben innerhalb einer Wohngemeinschaft aufzuteilen sind, als in meiner Partnerschaft. Doch was wird in fünf bis zehn Jahren sein? Wie werden meine Partnerin und ich zusammenwohnen? Wer übernimmt welche Aufgaben? Und falls wir irgendwann ein bis fünf Kinder haben sollten: Wie zur Hölle funktioniert das in erster Linie überhaupt und zweitens bestenfalls auch noch fair?

Schreibtischtäter

Care-Arbeit sowie die damit einhergehende Gleichbehandlung in einem Haushalt und einer Beziehung sind Themen, zu denen Schreibtischtäter- und Täterinnen gekonnt ihren Senf dazu geben. Wer spült am Ende den Senffleck auf dem Teller ab und bringt die leere Bautzner Plastikverpackung in den Müll?

Schaut man sich in der Wissenschaft und der journalistischen Aufarbeitung um, findet man viele brisante, gleichwohl nüchterne Statistiken zur Care-Arbeit. Daraus werden oftmals wertende Angebote gezogen. In Kürze: Männer würden mehr für ihre Karriere arbeiten als für die Familie. Frauen tun es umgekehrt. Das solle sich weiter angleichen. Mein Senf dazu: Stimmt. Sehe ich genauso. Ich wünsche mir eine gleichberechtigte Beziehung. Das schreibt sich so leicht, wenn man am Schreibtisch auf Arbeit sitzt.

Das eigene Leben reflektieren

Wie wird es am Ende wirklich aussehen und wie leben andere gemeinsam? Natürlich kann man aus Statistiken einiges abstrahieren, trotz alle dem ist und bleibt das eigene Beziehungsleben ein höchst intimes Thema. Was man fühlt und was man denkt, besonders über das Liebesleben, teilen nur die wenigsten mit.

Das war auch eine Erkenntnis unserer Recherche: Es ist verdammt schwer, an die Beziehungserfahrungen von Menschen heranzukommen. Und wenn eine Person sich offen zeigt, scheitert es oft an der Partnerin oder dem Partner. Gut möglich, dass es Menschen überfordert oder gar unangenehm ist, ihre eigene Beziehung zu reflektieren. Erst recht, wenn ein Journalist dabei zuhört.

Mal ehrlich: Wer setzt sich überhaupt privat regelmäßig in einem gemeinsamen Gespräch mit dem eigenen Zusammenleben auseinander? Auch wenn Therapierende immer wieder zu mehr Kommunikation raten, kann es in der Praxis zu einem schwierigen Unterfangen werden. Besonders wenn die Zeit fehlt.

Was wird zur Gewohnheit?

Arbeit auf Arbeit und Arbeit zu Hause. Beim Abendbrot lädt man erst mal gegenseitig kommunikativ die Last der Lohnarbeit ab. Davor wird fix Wäsche gewaschen und Sport gemacht. Danach schaut man noch eine Doku, einen Film oder liest ein Buch. Ach ja, und wenn man Kinder hat, dann kann sich der Zeitaufwand für die Arbeit zu Hause je nach Anzahl gleich mal zwei oder fünf potenzieren, zumindest gefühlt. Wann soll man also miteinander über die unangenehmen Punkte reden?

Am Wochenende oder im Urlaub? Da will man entspannen und eine gute Zeit haben. Also pendelt sich die Aufgabenverteilung im Haushalt mit hoher Wahrscheinlichkeit, auch wenn deshalb ein paar Mal die Fetzen fliegen, mehr oder weniger ein. Es wird zur Gewohnheit, wer was übernimmt. Die wenigsten finden die Zeit oder auch den Mut, diese Teilung kommunikativ zu reflektieren und egal ob man es als gut oder schlecht bewertet, reproduziert man damit automatisch die Rollenbilder, die einem bisher vorgelebt wurden.

„Sorry, das war mir einfach wichtiger“

Faktisch stellt das deutsche Recht beide Seiten einer Partnerschaft gleich, das heißt im Umkehrschluss aber lange nicht, dass es allen gleich viel bedeutet. Am Ende sitzt der Mann oft am längeren Hebel, da er mehr verdient, einen angeseheneren Job hat und somit sagen kann: „Sorry, bei mir ging es heute wieder etwas länger“ was auch bedeuten kann: „Sorry, das war mir einfach wichtiger“.

Ein Indiz dafür zeigt sich in der Statistik einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zum Elterngeld: Die Väter, die Elterngeld beantragen, in Sachsen zumindest jeder Ditte, bezieht es für maximal zwei Monate. Frauen hingegen fallen im Schnitt für zwölf Monate aus. Dabei stagniert die Anzahl der Väter, die Elterngeld beziehen, seit 2013 auf einem gleichbleibenden Niveau, auch wenn sie nach der Einführung 2007 anstieg.

Soziale Zwänge

Nach der Statistik zu urteilen, schätzen Männer die Kinderbetreuung weniger als Mütter. Nichtsdestotrotz wäre es ein Trugschluss zu behaupten, dass sie per se nicht gerne mehr Zeit mit der Familie verbringen würden. Alle Menschen, Frauen wie Männer, unterliegen sozialen Zwängen. Viele wollen unter den gesellschaftlich gegebenen Normen und Erwartungen das Beste erreichen. Auszubrechen ist nicht leicht. Noch gibt es flächendeckend kein Schulfach „Glück“ oder „Liebe“.

Am Ende wird ein Problem ad hoc so gelöst, wie man es aus seinem Erfahrungswissen heraus für richtig hält. Egal ob man allein oder zusammen ist. Wer es schafft, sein Selbstbild in einer Beziehung gemeinsam zu reflektieren, kommt der Gleichbehandlung einen entschiedenen Schritt näher. (jopa)

Dieser Text ist Teil einer Beitragsreihe. Die Volontäre der „Freien Presse“ haben in einem Projektmonat rund um das Thema „Arbeitsteilung in jungen Familien“ recherchiert. Die Familienporträts, Experten-Interviews, eine Datenanalyse, ein Quiz und die Sicht der jungen Reporter auf das Thema sind auf der Übersichtsseite zu finden. Die Arbeit der Volontäre könnt Ihr auch auf Instagram und Twitter verfolgen.

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