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Kastanienfragen

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Ich liebe den Herbst. Warum eigentlich? Ich könnte jetzt sagen, dass es an jenem einzigartigen Licht liegt. Am frischen Wind. Oder an meinem melancholischen Gemüt.

Aber das stimmt nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Art frühkindliche Prägung. Ich habe im Oktober Geburtstag. Und so freute ich mich als Kind jedes Jahr auf den Herbst. Etwas davon ist geblieben: Wenn die Ahornbäume ihre völlig übertriebene Farbshow abziehen, fühle ich mich beschenkt. Dann bilde ich mir ein, der liebe Gott hätte sich das alles nur für mich ausgedacht.

Natürlich hat diese Jahreszeit auch ihre anstrengenden Seiten. Im Winter ist die Sache klar: Die Kinder werden täglich in denselben Schneeanzug und die gefütterten Winterschuhe gesteckt. Mützendiskussionen erübrigen sich. Dagegen folgt die Übergangszeit keinem Drehbuch: Morgens sind es fünf Grad und die Kinder fragen, wann wir denn „endlich mal“ Winterschuhe kaufen. Am Nachmittag präsentiert die Sonne eine grandiose Abschiedsvorstellung, das Thermometer (beziehungsweise die Handy-App) zeigt 15 Grad Celsius. Und dieselben Kinder fragen mich, ob sie denn „jetzt wirklich eine Jacke anziehen müssen“.

Stichwort Jacke: Zu den zwiespältigen Erlebnissen des Goldenen Herbstes gehören ja die Kastanienwanderungen. Nein, ich meine jetzt nicht, dass man durch Wald und Park spaziert und sich dabei die Taschen vollstopft. Das könnte ich jeden Tag machen.

Die sinnlose Schönheit der braunen Handschmeichler fasziniert mich. Ist auch so eine Kindheitserinnerungssache: Fünf altehrwürdige, hochproduktive Kastanienbäume standen auf dem Gelände meines Kindergartens. Früher gehörte ich noch zu den schnellsten in meiner Peer Group, und so entschied ich den Wettbewerb um die meisten Kastanien oft für mich.

Was fing man dann damit an? Schon damals sagten immer irgendwelche Leute, man könne mit den Dingern so schön basteln. Und schon damals hatte ich keine große Lust darauf. Stattdessen fuhr meine Mutter dann irgendwann im Spätherbst mit uns in den Wildpark, um die Kastanien einer sinnvollen Verwendung zuzuführen.

Ich meinte hier aber eine andere Kastanienwanderung. Und zwar die Wanderung der Kastanien durch das Innenfutter der Regenjacke. Der Kleine (4) sammelt fleißig und täglich, aber leider ist ein Loch in der Tasche. So steht man am nächsten Morgen um sieben da und schiebt die verirrten Kastanien durch den Jackenärmel zurück in die Tasche und durch das Loch wieder raus.

Solche Geschichten schreibt das Leben nur im Herbst. Genau wie die Geschichte, als ich bei einem Zeitungstermin mein Notizbuch aus dem Rucksack herauskramen wollte. Und stattdessen einen leicht morschen, leicht modrigen, nicht ganz sauberen Stock in der Hand hielt. Ich habe keine Ahnung, warum meine Kinder immer Stöcke aus dem Wald schleppen müssen. Ich weiß nur, dass ich das früher auch getan habe. Warum? Egal. Ich liebe den Herbst.

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